75 Jahre BMW. Die Geschichte der BMW Automobile - Teil 3
BMW Isetta: Mobil bei jedem Wetter.
Für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sind diese exklusiven Wagen
freilich unerreichbar. Zu Beginn der fünfziger Jahre, als es den Menschen
langsam wirtschaftlich wieder besser geht, setzt ein Boom für motorisierte
Kleinfahrzeuge aller Art ein. Mit der deutlichen Verbesserung der
Lebensbedingungen steigen auch die Ansprüche an das Niveau der Fahrzeuge und das
Bedürfnis nach "Wetterschutz" wird immer stärker. War man vor kurzem noch stolz
Motorrad, eventuell mit Beiwagen gefahren, so will man jetzt nicht mehr schwere,
wetterfeste Kleidung tragen, sondern trocken und sauber von Ort zu Ort kommen.
Der BMW Vorstand beschließt deshalb, ein gut verkäufliches Kleinst-Automobil
in das Produktionsprogramm aufzunehmen. So machen sich BMW Ingenieure auf den
Weg zu diversen Automobilausstellungen, um nach einem Kleinstwagen zu suchen,
der sich für eine Lizenzfertigung in München eignen würde. Dabei stoßen sie in
Turin auf die avantgardistische Isetta der Firma Iso in Mailand. Auf den ersten
Blick sehr ungewöhnlich mit Fronttür, seitlich angeordnetem Zweitakt-Mittelmotor
und hinterer Schmalspur, erkennen die BMW Ingenieure das Potenzial, das in
diesem eiförmigen Mobil steckte. Der laute und schwache Zweitakter lässt sich
gut durch einen laufruhigen BMW Motorradmotor ersetzen und die Passagiere sitzen
in diesem winzigen Gefährt zumindest nebeneinander wie in einem richtigen Auto.
Besonders originell ist die Fronttür, die zusammen mit dem Lenkrad und
Armaturenbrett öffnet, so dass die Passagiere quasi in das Fahrzeug hineinlaufen
können.
Als die erste BMW Isetta schließlich im Frühjahr 1955 am Tegernsee der Presse
vorgestellt wird, ist das Erstaunen groß. Optisch und technisch ist das
italienische Original bei BMW in vielen Details modifiziert und verbessert
worden. Andere Scheinwerfer und ein neuer Motordeckel verändern die Karosserie,
dazu verspricht der 12 PS Motorradmotor mit 250 ccm jetzt eine
Höchstgeschwindigkeit knapp über 80 km/h. Von der Öffentlichkeit wird die
skurrile Isetta begeistert aufgenommen. Die Zeiten sind günstig für
unkonventionelle Fahrzeuge und das italienische Flair trägt während der ersten
Reisewelle in den Süden nicht wenig zum Erfolg bei.
Schon 1955 verlassen rund 13 000 Isettas die Fabrik in München.
Während sich die Iso Isetta in Italien nur schleppend vermarkten lässt,
steigen die Verkaufszahlen in Deutschland im Spitzenjahr 1957 bis auf fast 40
000. Inzwischen gibt es auch eine "stärkere" Variante mit 300 ccm und 13 PS,
eine modernisierte Karosserie und Sondermodelle als Cabrio, Tropenversion und
sogar Kleinstlieferwagen. Neben dem Glas Goggomobil wird die "Knutschkugel" zum
erfolgreichsten Fahrzeug dieser Art in Deutschland.
Eleganter Nachkriegs-Sportler: Der BMW 507.
War der 328 der sportliche Wegbereiter von BMW, so setzt Mitte der 50er Jahre
ein weiterer Sport-Zweisitzer ganz neue Akzente in Design und Eleganz: Der BMW
507. Als Graf von Goertz 1955 in New York das Tuch von seiner Kreation eines
zweisitzigen offenen Sportwagens zieht, präsentiert er mit dem BMW 507 nicht nur
ein neues Auto - er setzt auch einen designerischen Maßstab. Lang gestreckte
Seitenlinien, ein geschwungener Aufbau und eine nicht enden wollende Motorhaube
bestimmen das zeitlos schöne Design dieses Traumautos.
Wenig später sorgt der Zweisitzer, der technisch auf dem 502 mit V8 Motor
basiert, auch auf der IAA für eine Sensation. Danach verschlingt die
Weiterentwicklung der Prototypen zur Serienreife viel Zeit. Erst 1956 wird eine
150 PS leistende Variante des Leichtmetall-V8 fertig und im November desselben
Jahres nimmt der erste stolze Besitzer aus dem Hochadel einen BMW 507 in
Empfang.
Für DM 26.500 plus DM 1.000, falls ein Hardtop geordert wird, erhält der
Kunde einen je nach Endübersetzung bis zu 220 km/h schnellen Sportwagen mit
großzügigen Platzverhältnissen und einer Karosserie, die bis heute zu den
schönsten aller Zeiten gezählt wird. Unter den betuchten Käufern sind zahlreiche
klangvolle Namen des In- und Auslandes, darunter auch der "King of Rock 'n'
Roll", Elvis Presley. Bis 1959 entstehen nicht mehr als 253 Roadster vom Typ
507, davon 251 mit Serienkarosserie.
Zwei Fahrgestelle erhalten Aufbauten von Loewy bzw. Michelotti. Die meisten
dieser legendären Sportwagen haben bis heute überlebt und gehören zu den
exklusivsten klassischen Automobile der Nachkriegszeit.
700: Traumwagen des kleinen Mannes.
Mit dem Wirtschaftswunder blühen auch die Ansprüche der Autokäufer Ende der
50er Jahre weiter auf. Die spartanischen Kleinstwagen haben ihren Zenit
überschritten, die Kunden verlangen richtige Autos. BMW reagiert 1957 darauf
zunächst mit dem 600, einer verlängerten Isetta mit Zweizylinder-Boxermotor im
Heck. Schon 1959 wird der rundliche Viersitzer aber von einer deutlich
moderneren Konstruktion abgelöst, deren Ponton-Karosserie erstmals in
selbsttragender Bauweise entsteht: Der BMW 700.
Insbesondere als robustes Auto für den Motor-Breitensport wird der 700
schnell berühmt. "Das BMW 700 Coupé erreicht mit seinem 30 PS-Zweizylinder bei
gleichem Innenraum und besserer Straßenlage die gleiche Höchstgeschwindigkeit,
die gleiche Beschleunigung und sicher höhere Straßendurchschnitte als sein
legendärer Vorgänger" heißt es offiziell. In der Tat deklassiert das 640
Kilo-Fliegengewicht die Konkurrenz in seiner Motorsport-Klasse von Anfang an.
Der kleine Heckmotorwagen in der 40 PS-Sportversion wird deshalb auch "Arbeiter-Carrera"
genannt.
Ein Beispiel für die preisliche Attraktivität ist ein Vergleich vom November
1962: 6950 Mark - inklusive Heizung - kostet das Cabrio und ist damit 1.250 -
Mark billiger als ein offener VW Käfer. Ein offener Karmann Ghia liegt gar bei
9.500 Mark.
BMW 1500: Die Neue Klasse schafft den Durchbruch.
Bereits Mitte der 50er Jahre erkannten die BMW Entwickler aber auch den
dringenden Bedarf nach einem modernen Wagen der Mittelklasse. Erste
Entwicklungsarbeiten begannen, doch war das Projekt eines komplett neuen
Fahrzeuges der Mittelklasse finanziell zunächst nicht zu realisieren.
Anfangs der 60er Jahre hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert,
der neue "Mittelwagen" wird schließlich als schnittiger, mittelgroßer Viertürer
mit sportlichem Fahrwerk und starker Motorisierung konzipiert: komfortabel genug
für fünf Passagiere, agil genug für flotte Fahrt. Die Marketing-Strategen geben
ihm den Namen "die Neue Klasse": 1961 debütiert der BMW 1500 auf der
Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Unter der Fronthaube arbeitet
ein vollkommen neuer Vierzylinder-Reihenmotor mit 1,5 Litern Hubraum. 80 PS
reichen für eine Spitzengeschwindigkeit von fast 150 km/h aus, ein
hervorragender Wert im Vergleich zur Konkurrenz. Dazu kommt ein superbes
Fahrwerk. Das Fahrverhalten bleibt unter fast allen Umständen neutral, die
Federung ist straff aber nicht unkomfortabel. Im Innenraum finden sich
Sicherheitsmerkmale wie gepolsterte Ober- und Unterkanten des Armaturenbretts
und eine tiefliegende und gepolsterte Lenkradnabe.
Der BMW 1500 wird sowohl von der internationalen Fachpresse wie auch von den
Kunden sehr positiv aufgenommen. Schon ein Jahr nach Produktionsbeginn kommt ein
Schwestermodell mit 1,8 Liter-Motor und 90 PS Leistung, der BMW 1800, auf den
Markt. 1964 bzw. 1966 folgen der BMW 1600 und 2000. Und 1969 erscheint das
Spitzenmodell der Neuen Klasse in Gestalt des BMW 2000 tii, der erstmals über
eine Benzineinspritzanlage in einem BMW Serienmodell verfügt. Auch die neue, ab
1965 angebotene Coupélinie mit den Modellen 2000 C und CS basiert auf der Neuen
Klasse.
Für BMW bedeutet der enorme Erfolg dieser Neuen Klasse endlich den Durchbruch
als Hersteller weltweit begehrter, moderner Automobile. Zwar wird der Urtyp BMW
1500 nur bis 1964 produziert, doch die optisch fast identische, gesamte
Modellreihe soll bis 1972 aktuell bleiben. In dieser Zeit entwickelt sich die
Neue Klasse zur erfolgreichsten BMW Modellreihe. 329.626 Limousinen laufen
insgesamt in München vom Band. BMW hat den Sprung zum erfolgreichen
Massenhersteller moderner Automobile endgültig geschafft.
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1955: BMW 507 - Eine Legende wird geboren |
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Quelle: BMW Presse-Information vom 22.03.04 |